KI-Recruiting: Zwischen Sexismus, Erfolg und Nicolas Cage

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Im Herbst 2018 machte eine Künstliche Intelligenz (KI) Schlagzeilen. 

Denn der Bewerbungsroboter von Amazon, der auf Basis von Berechungen und Algorithmen die perfekten Bewerber heraussuchen sollte, handelte sexistisch. Tatsache: Der Roboter hatte Frauen diskriminiert.

Nicht aktiv, versteht sich, doch bevorzugte der Computer Männer bei der Auswahl: „Im Fall von Amazon hatte das System vor allem den Typ von Bewerber im Blick, der sich besonders häufig bei dem Unternehmen bewirbt: nämlich technikaffine Männer. Die Software ging davon aus, dass diese Menschen ein besonders großes Interesse am Arbeitgeber haben. Eigentlich nachvollziehbar. Das Problem ist: Weil es in der Tech-Branche mehr Männer gibt als Frauen, hat der Roboter geschlussfolgert, dass sich vor allem Männer für das Unternehmen begeistern können, und filterte Frauen eher heraus“, erklärte der Wissenschaftler Sven Laumer von der Nürnberger Universtität gegenüber der Zeitschrift ZEIT.

Das wirft nun die durchaus ethische Frage auf, ob die KI in diesem Moment vielleicht einfach die richtigen Bewerber herausgepickt hat, wenn es auch größtenteils Männer waren, oder genau das getan hat, was sie eigentlich umgehen soll: menschliches Fehlverhalten.

Von diesem kritischen Fall mal Abstand genommen verändert Digitalisierung die ganze Welt. Und dementsprechend auch das Recruiting von Mitarbeitern. „Recruiting 4.0“ lautet der gern genutzte Begriff, der derzeit eine gewisse Utopie widerspiegelt.

Man stelle sich vor: Ein Personaler wirft alle eingehenden Bewerbungsmappen auf einen Haufen und drückt auf Start. Die Künstliche Intelligenz filtert nun die besten Bewerber heraus, möglicherweise sogar Kandidaten, die sich gar nicht beworben haben, sondern noch studieren oder bei der Konkurrenz beschäftigt sind.

Klingt aus Sicht eines Personalers wie ein Traum. Doch zeigt nicht nur das Beispiel Amazon, dass wir von diesem Modell noch ein Stück entfernt sind. Beim Lesen dieser utopischen Beschreibung ist Dir sicherlich gleich das Wort „Datenschutz“ in den Kopf gekommen. Denn woher weiß die Künstliche Intelligenz, wer perfekt zu einem Unternehmen passt? Nutzt sie nur die Daten, die ein Bewerber in seinem Schreiben und seinem Lebenslauf mit eingeschickt hat?

In diesem Falle könnte die Software leicht ausgetrickst werden, denn wer schreibt in einer Bewerbung schon die ganze Wahrheit… Und der Gedanke, dass irgendwo im Land gerade eine Maschine unsere Daten durchforstet, um möglicherweise später ein Jobangebot zu unterbreiten, klingt grausig.

Andererseits kennt das Internet uns doch sowieso schon alle. Wer schon einmal Werbeanzeigen bei Facebook geschaltet hat, weiß das. Hier kann der Ersteller seine Zielgruppe auf das Genauste auswählen. „Nicht länger als drei Monate verlobt; nie arbeitslos gewesen; Interesse am FC Bayern München; Großmutter in Wuppertal.“

All das weiß Facebook bereits über uns und über Google haben wir an dieser Stelle noch gar nicht geredet. Ein Zug, auf den Portale wie LinkedIn oder Xing schon längst aufgesprungen sind. Die Zahl der Personen, die über eine dieser Social-Media-Plattformen rekrutiert wurden, steigt exponentiell. Gerade Unternehmen, die sich lediglich nach geeigneten Kandidaten umsehen, ohne eine Stelle auszuschreiben, oder auch Headhunter können sich hier austoben. Und sind wir ehrlich: Das ist sowohl für Firmen als auch für Arbeitnehmer eine praktsiche Sache, von der Personaler früher nur träumen konnten. Für beide bequem und für den Personaler hoch effizient.

Doch steht über allem diese Sorge: Können wir uns auf Künstliche Intelligenzen verlasen? Schließlich sind es letzlich auch bei Xing oder LinkedIn die Algorithmen, die dem Personaler nach dem Ausfüllen des Suchfeldes die Kandidaten vorschlägt. Und das Beispiel Amazon zeigt: Selbst Computer sind vor menschlichen Fehlern nicht sicher. Sven Laumer nutzte gegenüber der ZEIT ein sehr eingängiges Beispiel, um die Gefahren von Software zu verdeutlichen: „Zum Beispiel korreliert die Anzahl der Suizide durch Ertrinken in einem Swimmingpool signifikant mit der Anzahl der Filme, in denen Nicolas Cage mitspielt. Uns Menschen ist klar, dass wir keinen Todesfall verhindern können, indem wir weniger Filme mit Nicolas Cage produzieren. Aber die Künstliche Intelligenz kommt nicht auf diese Idee.“

Weitere Probleme mit dem Recruiting 4.0 beginnen schon beim Erstellen der Anzeigen oder des Suchprofils. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt: teuere Softwares für Unternehmen, die angesprochenen Social-Media-Kanäle, Stellenportale. Für Firmen als auch Arbeitsuchende stellt sich gleich zu Beginn die Frage: Wo anfangen? Zudem ändert sich das Internet schnell wie auch die Konzepte in Sachen E-Recruiting. Manchen Firmen fällt es schwerer als anderen, hier immer auf dem neuesten Stand zu sein und die Anzeigen in allen genutzten Portalen immer wieder zu überprüfen und anzupassen. Schnell kann das zu einer wahren Flut an Bewerbern führen. Natürlich ist das Branchen- und Portalabhängig, doch bricht das E-Mail-Postfach bei einer interessanten Ausschreibung schnell zusammen. Zudem sind nicht alle Zielgruppen über Online-Bewerbungsportale oder Soziale Medien zu finden, wenn natürlich die jungen Generationen eher auf diese Weise auf Jobsuche gehen.

Wo stehen wir also beim Recruiting 4.0? Amazon hat einen sexistischen Roboter gebaut und Unternehmen müssen viel Aufwand und Geld in Headhunter oder Software stecken, wenn das digitale Recruiting auch langfristig Geld einspart? Ist das die Mühe wert? Experte Sven Laumer ist sich in seinem Interview mit der ZEIT sicher: Es kommt wie so oft auf gelunge Kooperation an. Den Daten, die ein Programm oder ein soziales Medium ausspuckt, dürfte ein Personaler nie blind vertrauen. Maschinen würden Korrelationen erkennen, ohne sie zu hinterfragen. Denken wir nur an das Nicolas-Cage-Beispiel. Unternehmen müssen hier aktiv gegensteuern, fordert Laumer. Die von der Software erkannten Cage-Zusammenhänge müssen, sofern sie auftreten, den Systemen im Einzelnen abtrainiert werden.

Liest man sich in das Thema ein, bleiben am Ende zwei Schlussfolgerungen stehen: Erstens, Künstliche Intelligenzen sind noch lange nicht perfekt und sind auf ständige Aufsicht und Betreuung durch Menschen angewiesen. Zweitens, das digitale Recruiting ist die Zukunft, ob wir es wollen oder nicht. Amazon hat die sexistische KI übrigens kurz nach Bekanntwerden der Probleme vollends verworfen. Aus Fehlern lernt man bekanntlich und darauf kommt es in Zukunft für Mensch und Maschine an.

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